Ein etwas anderer Blick auf den Advent

Ein etwas anderer Blick auf den Advent

Die gesamte Aktivität Gertraud von Bullions – ob schriftlich oder in immer neuen kleineren und größeren Initiativen ihres Lebens – spielt sich in konkreten Beziehungen ab. Gertraud war keine Theoretikerin, die eine Lehre verbreitet hätte, oder eine Schriftstellerin, die schöne Dinge des Alltags beschreiben würde für spätere Generationen. Sie lebte in Beziehungen und belebte diese Beziehungen, pflegte sie, hatte Freude daran, mit anderen auf dem Weg zu sein, das Leben mit Menschen zu teilen. Lebenslang.

Ihrem In-Beziehung-Sein verdanken wir z.B. eine interessante Anregung zum Advent, einen etwas anderen Blick auf einen möglichen Weg durch den Advent. Es geht um einen Briefwechsel im Januar des Jahres 1927 mit einer jungen Freundin, Marie Heißing aus Augsburg. Offenbar hatte sie nicht viel an guten Werken vorzuweisen, die sie zu Weihnachten dem Kindlein in der Krippe vorlegen könnte. Diese Traurigkeit greift Gertraud sehr fein auf und öffnet eine breitere Perspektive, auch in Niederlagen etwas Gutes zu sehen.

„Im Übrigen, Mariele, was Du vom „Nichts-haben-zum-Schmücken“ schreibst, ist nicht so schlimm. Schöner und uns selbst schmeichelhafter ist es natürlich, wenn wir uns vieler Opferblümlein bewusst sind. Aber ob dem Jesulein nicht die Erkenntnis und das Bekenntnis unserer geistigen Armut wertvoller ist als unsere Befriedigung über eine gut gelungene Adventszeit?“

Ein solcher Blick zeugt von einer reifen Glaubenshaltung, die auf eigene Erfahrungen zurückgreifen und eine breitere Sicht ermöglichen kann, ja, sogar zur Demut führt. Gertraud fügt einen Text an, den sie im „Kirchenblättle“ entdeckt und der sie vermutlich persönlich angesprochen hat. Sie gibt diese Gedanken an Mariele weiter und wird zur Trösterin, zur Lebens-Bringerin. Das Leben geht weiter, es kann sich entfalten, so wie es momentan ist. Gertrauds mütterliche Qualität ist hier erkennbar. Sie nimmt feinfühlig das Leben auf, das Befinden des Gegenübers sowie das geistliche Leben. Das Wachstum zu Gott ist ihr wichtig.

„Da stand übrigens am ersten Adventsonntag ein sehr feiner Gedanke im Kirchenblättle: Zum Adventerleben (also auch Weihnachterleben) gehören die täglichen Niederlagen und das demütige Bewusstsein davon – sie sind ein natürlicher Bestandteil des Menschenweges zu Gott –. Der Gerechte fällt sieben Mal, steht aber wieder auf, und beim siebten Aufstehen ist er stärker als morgens beim ersten Fall.“

Diese Inspiration, die sie mit der Freundin teilt, um ihr die Last des scheinbaren Misslingens abzunehmen und sie positiv umzudeuten, um so dem Leben einen Wachstumsschub zu geben, beendet sie mit einem humorvollen Wunsch, der mit einem originellen Wortspiel zum „heiligen Eigensinn“ endet:

„Trage Dein tägliches Elend und werde nur eigensinniger in der Beharrung zum Ziel. Dieser heilige Eigensinn ist auch ein Advent.“

Advent ist also ein Weg, sich beharrlich zum Ziel hin zu bewegen. Das heißt, Freude am Leben zu haben, das Leben zu teilen, auf originelle, persönliche, freundschaftliche Art und Weise. Begleiterin war Gertraud , und sie will es auch heute sein: unbemerkbar, treu an der Seite.

Impuls

  • Welchen Schwerpunkt möchte ich in diesem Advent setzen
    – für mich persönlich und meine Umgebung?
    – Welche Schwerpunkte gibt das Leben vor?
  • Mit wem bin ich auf dem Weg? Wem kann ich Begleiter/in sein? Worin?
  • Wie kann ich die Herausforderungen und Schwierigkeiten zum Wachstum nutzen?

Dr. Alicja Kostka

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