Nicht selten offenbart sich erst im Tod das Gewicht des Lebens; von dort aus bekommt das gesamte Leben seinen letzten Sinn und seine Erklärung. So war es im Leben Jesu, der mit dem freiwilligen Sühnetod für viele sein ohnehin hingebungsvolles Leben im Dienste der Menschen besiegelt hat. Diesen Gedanken hat Papst Benedikt XVI. hervorgehoben während des Kreuzweges2005 in Rom. Bei der 14. Station sagte er:
„Jesus ist zum gestorbenen Weizenkorn geworden. Er ist das Brot des Lebens, das im Überfluss für alle Menschen reicht und wovon der Mensch in Wahrheit lebt. … Über dem Begräbnis Jesu leuchtet das Geheimnis der Eucharistie.“
Jesu Liebesopfer brachte überreiche Frucht für die Menschheit. Diese Frucht bleibt. Generationen zehren davon auf dem Weg zum geheilten Leben und wachsen im wahren Menschen-tum dank der göttlichen Speise.
Das Geheimnis des Weizenkornes im Leben Gertrauds
Auch im Leben Gertraud von Bullions erblicken wir das Geheimnis des Weizenkornes. Viel hat sie in ihrem Leben geschenkt: im Dienst am Nächsten, in ihrer Familie als Pflegerin der bedürftigen Familienmitglieder und schließlich beim Aufbau der internationalen Frauenbewegung. Als ihr kurzes Leben sich dem Ende neigte, schenkte sie – von der Tuberkulose unheilbar heimgesucht – das Leben selbst in die Hände der Gottesmutter für das Aufblühen dieser Bewegung, vor allem in Bayern. So wurde auch sie zum Weizenkorn, aus dem der Baum der vielverzweigten Frauenbewegung nach und nach gewachsen ist. Viele „Vögel“ aus mehreren Ländern und Generationen fanden und finden bis heute darin ihr bleibendes Nest.
Mit keimhafter Liebe salben…
Dabei war der Prozess des „Absterbens“ nicht immer leicht für Gertraud. Er war von geduldiger Suche des Bräutigams gezeichnet, der sich vor seiner Braut streckenweise „versteckt hat“, um ihre Liebe noch mehr zu fördern, sie an sich fest zu binden. Gertraud ging diesen Weg, periodenweise, in Dürre und innerer Kälte. Sie konnte diese Erfahrung auch ehrlich zugeben, reflektieren und somit auch ihren Mitgenossinnen auf dem Weg der Nachfolge Christi weitergeben. Sie ließ sich dabei von den Frauen im Evangelium führen, die ähnliche Wege hinter dem Gekreuzigten Herrn zurückgelegt haben, bis sie ihn als Auferstandenen gefunden haben:
„Wie die frommen Frauen dürfen wir nicht müde werden, den gekreuzigten – begrabenen – toten Heiland zu suchen. Wir wissen, wo sie ihn hinlegten – in den Tabernakel, in unsere Herzen; aber seine Gegenwart dünkt unserer Kälte wie tot. Trotzdem lasst uns ihn salben mit unserer keimhaften Liebe – mit den Tränen unseres wunden Herzens, unserer Sehnsucht, unserer Reue wollen wir seine heiligen Wunden netzen und immer wieder fragen und suchen, treu zu sein, treu den eingeschlagenen Weg einhalten – keine der Übungen lassen.“
Mit keimhafter Liebe salben… Wie viel Demut und echt kindlicher Geist steckt in diesen Worten, wie viel zärtliche Liebe… An den Beginn der Frauenbewegung Schönstatts hat Gott eine Frau gestellt, die den Weg der Nachfolge Christi in allem Ernst gegangen ist und gerade auf diesem Weg so fruchtbar wurde.
Dr. Alicja Kostka