Auszug aus der Mitteilung – Steine
„Hoppla! Blöder Stein! Jetzt wäre ich beinahe hingefallen, nur weil so ein Stein im Weg liegt, den ich übersehen habe! – Vielleicht auch gut, dass ich nur gestolpert bin, denn jetzt passe ich besser auf meinen Weg auf.“ Stolpersteine! Das ist jedem schon begegnet. Gut, wenn es ohne Schaden abging. Sie lassen uns aufmerken, bringen neue Achtsamkeit. Stolpersteine! Die gibt es auch auf dem Lebensweg. Sie können sehr verschieden aussehen: Streit, Krankheit, Berufswahl oder Berufswechsel, Enttäuschungen in Beziehungen, unerfüllte Wünsche, Ehekrisen, Glaubenszweifel. Vielerlei Ereignisse lassen uns aufmerken, bringen uns zum Nachdenken, ändern unsere Lebenssicht. Es ist nicht leicht, diesen „Steinen“ etwas Gutes abzugewinnen. Und doch sind sie Anstöße zu Wachstum und Reifungsprozessen.
Jede Menge Stolpersteine
Auch das Leben von Gertraud von Bullion verlief nicht glatt, es gab jede Menge von Stolpersteinen: Der Erste Weltkrieg ließ zunächst keine Berufsausbildung zu. Die Erlebnisse in den Kriegslazaretten waren bestimmt nicht einfach zu verarbeiten. Nach dem Krieg hinderten sie Krankheit und die Familienverhältnisse, einem Berufswunsch nachzugehen. 1919 schreibt Gertraud: „Mein Herzenswunsch, mich in der Musik, besonders im Gesang weiterzubilden, scheiterte bis jetzt jedesmal, wenn ich vor seiner Erfüllung stand, und doch hoffe ich bestimmt, mit dem Studium bald beginnen zu können; vielleicht ist auch stolzer Ehrgeiz dabei die natürliche Triebfeder, aber nichts hindert uns, sie umzukehren und nach Gott zu streben“ (N. Lauer, Gertraud von Bullion, Serviam, Antwort der Liebe, Schönstatt-Verlag, S. 78).
Auch ihre Pläne, in der Krankenpflege oder sozialen Frauenarbeit vollends ausgebildet zu werden, zerschlagen sich. Immer wieder muss sich Gertraud mit der Krankheit auseinandersetzen, die ihren Tätigkeitsdrang so bremst. „Mir will manchmal scheinen, als bräuchte ich die Krankheit, um den Himmelsweg nicht zu verfehlen; als müsste ich unfähig sein für äußeres Wirken, damit der Stolz verkümmere, damit ihm die Nahrung fehlt, und dass ich endlich, endlich Demut lerne! Drum beten Sie, dass Gottes Vaterwille sich an mir vollziehe, wie er auch sei – gesund oder krank!“ (a. a. O., S. 94). Bei all den Stolpersteinen in ihrem Leben fragt Gertraud nach dem Willen Gottes und sucht von dort eine Deutung. Die Betrachtung des Kreuzwegs Jesu war ihr immer wieder eine Hilfe, ihren eigenen steinigen Weg zu meistern.
Grundstein
Einmal macht sie sich um einen besonderen Stein Gedanken:
„Bei der Grundsteinlegung des neuen Bundesheimes 1927 in Schönstatt blieb Gertraud nach beendeter Feier mit einigen Schwestern ihrer Gruppe auf dem Bauplatz zurück, trat zum Grundstein heran, legte ihre Hand auf ihn und forderte ihre Mitschwestern auf, dasselbe zu tun. Nachdem dies geschehen war, sprach Gertraud: So möge sich der Bund auf uns aufbauen, wie dieses Gebäude sich auf dem Grundstein aufbaut. Später aber schrieb sie an eine Teilnehmerin: Ich habe darüber nachgedacht, ein Grundstein ist doch etwas zu Wichtiges, in die Augen fallendes, nein, wir wollen nur ein Stein sein tief unten im Fundament, der unbeachtet und ungesehen zutiefst unten verborgen in der Erde ruht und dennoch den ganzen Bau mittragen hilft“ (a. a. O., S. 176).
Gertrauds Wunsch ist in Erfüllung gegangen. Sie war die erste Frau der Schönstattbewegung und arbeitete grundlegend mit. Häuser brauchen Fundamente – auch das Haus meines Lebens und Glaubens.
Birgit Cremers
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