Auf den Wegen des Lebens
Gertraud von Bullion war in ihrem Leben viel unterwegs. Sie ist im wörtlichen Sinn gepilgert, geleitet von der Sehnsucht ihres Herzens, jedoch nicht weniger von dem Wunsch Gottes, den sie beständig zu finden und zu ergreifen versuchte. Gott zu finden und ihm und den Menschen zu dienen, war das Verlangen ihres Herzens. Dafür war sie auf den Wegen ihres Lebens unterwegs.
Pilgern in der Jugend
Die erste Etappe ihres Pilgerns liegt in ihrer frühen Jugend, in der sie die Ausbildung in europäischen Ländern genossen hat. Gertraud war Schülerin in den Sacré Cœur-Instituten in Österreich, England und in Belgien. In dieser Zeit hat Gott sie auf ihre Berufung, Mitgründerin einer neuen geistlichen Gemeinschaft für Frauen zu werden, vorbereitet. Auf einer Etappe ihrer Pilgerschaft hat sie die Devise ihres Lebens gewählt: Serviam – dienen will ich! Diese Devise ist Ausdruck für GertraudsHaltung des allumfassenden Dienens. Das war in Leamington/England, als sie in die Marianische Kongregation aufgenommen wurde. Diese Devise prägte die weiteren Etappen ihres Pilgerns und führte zunächst zu dem freiwilligen Dienst an den Soldaten im Ersten Weltkrieg.
Pilgern auf den Fluren der Feldlazarette
Unmittelbar nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges stellte sich Gertraud als Rotekreuz-Schwester freiwillig in den Dienst der Pflege der verwundeten Soldaten. Ganz jung, damals erst 23-jährig. Hier wollte sie auf ihrem Pilgerweg, Gott inmitten der rauen Verhältnisse des Lazarettlebens gegenwärtig setzen. Auf den Fluren der Lazarette war sie unterwegs, um – oft nach anstrengenden Arbeitstagen – die Herzen der Soldaten für Gott zu öffnen. Sie war erfinderisch und mutig und nutzte jede Gelegenheit.
Schönstatt – Der Pilgerort ihres Lebens
Den entscheidenden Ort der Hoffnung hat sie in den dunklen Stunden des Krieges in der kleinen Kapelle in Schönstatt entdeckt. Im Jahr 1917 hat sie die neue und junge Schönstattbewegung kennen gelernt. Die kleine Kapelle in Schönstatt war gerade im Begriff, ein Wallfahrtsort zu werden durch die Mitarbeit von Menschen im Liebesbündnis mit Maria. So kam Gertraud nach dem Krieg als Pilgerin nach Schönstatt in der Suche nach dem Sinn ihres Lebens. Ihr kam die Aufgabe zu, diesen Ort als Zentrum und der damit verbundenen Apostolischen Bewegung der entstehenden Frauenbewegung zu erschließen.
In den folgenden Jahren ist Gertraud von Bullion mehrmals nach Schönstatt gepilgert, vielfach auch geistigerweise. Dies vor allem dann, wenn ihre Anfang des Jahres 1921 ausgebrochene Krankheit ein physisches Kommen nicht möglich gemacht hat. In solchen Stunden bat sie ihren Seelenführer, Pater Michael Kolb, der in Schönstatt lebte: „Bringen Sie der Gottesmutter im Kapellchen mein Herz!“
Ein unscheinbarer Ort mit großer Ausstrahlung
Wenn wir auf Augsburg, die Heimatstadt Gertrauds schauen und sie mit dem Ziel ihres Pilgerns, Schönstatt und der kleinen Kapelle vergleichen, dann fällt uns auf, wie bescheiden – rein äußerlich betrachtet – dieses Pilgerziel war. Aus einer großen, prächtigen Stadt mit reicher kultureller und religiöser Tradition und imposanten Gebäuden begibt sich Gertraud in den schwierigen Nachkriegsverhältnissen mehrmals nach Schönstatt. Die alte kleine Michaelskapelle soll zu einem Wallfahrtsort zur Dreimal Wunderbaren Mutter von Schönstatt werden. (Gründungsurkunde, 18. Oktober 1914)

Gertraud von Bullion glaubt an die Verheißung für diesen Ort, zusammen mit dem Gründer, Pater Josef Kentenich, und den Sodalen der Marianischen Kongregation. Es gab keine Garantie dafür, dass diese Verheißung in Erfüllung gehen wird. Gertraud hat die Bedeutung und Sendung dieses Ortes erkannt. Sie hat sich zur Verfügung gestellt und dafür viel in Kauf genommen: Das mangelnde Verständnis ihrer Familie, die unsichere finanzielle Situation und nicht zuletzt ihren sehr labilen Gesundheitszustand. Ihre Tuberkuloseerkrankung forderte von ihr viele Opfer und Verzichte, die sie gerne auf sich genommen hat für die Fruchtbarkeit der Apostolischen Bewegung von Schönstatt. So hat Gertraud auch zur Entstehung eines neuen Wallfahrtsortes mit einer weltweiten Ausstrahlung beigetragen. Heute pilgern viele Menschen aus allen Kontinenten nach Schönstatt und erfahren den Segen dieses Ortes. Ein Ort der Hoffnung ist entstanden!
Alicja Kostka