Ein freudiges Ja-Sagen!
Gertraud von Bullion hat den Jahreskreis und die Feste sehr bewusst wahrgenommen und erlebt. Mit stets neuer Kreativität hat sie dazu beigetragen, den Alltag in größere Dimensionen einzubinden und ihn von da aus zu sehen. Jede Jahreszeit bot ihr die Gelegenheit, sie mit den Augen des Glaubens anzuschauen, die Botschaft Gottes, die darin lag, zu entziffern und sie mit anderen ernsthaft zu teilen.
Eine jüngere Frau, die gerade dabei war, ihren Lebensweg zu finden, zeigte Interesse an Schönstatt und der neuen Gemeinschaft für Frauen, am Frauenbund, für den Gertraud sich entschieden hatte und den sie mit aufgebaut hat. Gertraud schreibt ihr:
„Und noch etwas wünsche ich Dir, dass Dich das neue Jahr nach Schönstatt führe. Noch liegt die Zukunft dunkel, und die Aussichten sind mehr wie schlecht, doch warum sollte die Mutter die Wege nicht ebnen? Übergeben wir ihr die Sorge dafür.“
Auffallend dabei ist, wie selbstverständlich Gertraud die Gottesmutter hier ins Spiel bringt. Bei aller Unsicherheit und Ungewissheit um die Zukunft ist Gertraud überzeugt: Die Gottesmutter ist da und sie wird „die Wege ebnen“. Eine Botschaft auch heute? Sanft lädt Gertraud dazu ein, sich auf Maria zu verlassen, ihr die Sorgen um die Zukunft zu überlassen. Spricht sie aus eigener Erfahrung? Ja, denn durch Schönstatt fand sie selber zu Maria, und nun teilt sie diese Erfahrung der jungen Freundin mit.
Feinhörig für Gottes Stimme
Gertraud weitet die Berufungsfrage und wieder – so scheint es – teilt sie offenbar das, was ein wichtiger Teil ihres eigenen Weges und ihrer spirituellen Erfahrung ist, mit: für Gottes Führung disponierbar werden, sich von ihm überraschen lassen.
Ein Kernstück des christlichen Glaubens: wir sind nicht alleine auf unserem Weg, sondern eingeladen, die befreiende, führende, und vor allem liebende Hand des himmlischen Vaters täglich zu erfahren, auch wenn der Sinn uns zunächst verborgen bleibt.
„Und noch eines, Mariele, erbitte ich für Dich in diesem Jahr, ein freudiges Ja-Sagen zu allem, was Dir der liebe Gott schickt und was er von Dir haben möchte. Werde nur feinhörig, und fürchte Dich nicht, wenn es schwerhält, nicht nur ja sagen, sondern ja tun. Eine hilfreiche Hand ist der Deinen stets entgegengestreckt ‑ es ist die Mutter, die Dich zur Krippe ‑ zum Heiland – führen möchte.“ (Brief an Maria Heißing, 3.1.25)
Wir dürfen auch etwas erwarten
Am Anfang des Jahres planen wir die bevorstehende Zeit, so gut es geht. Wir bitten um den Segen Gottes für alles Vorhaben, für alle Herausforderungen und Chancen, die, noch verborgen, in den kommenden Wochen und Monaten uns nach und nach entgegen kommen.
Außer dem Planen und Hinhören, was Gott in diesem Jahr von uns erwartet und was er mit uns vorhat – danach hat die hl. Theresa von Ávilla gern gefragt – , können wir ihm auch unsere Wünsche mitteilen, unsere „Liebesansprüche“, wie Pater Josef Kentenich, der Gründer der Schönstattbewegung, gerne formuliert hat. Vielleicht wirkt diese Formulierung zunächst überraschend. Kann ein Geschöpf einen (Liebes)Anspruch Gott gegenüber erheben? Gott hat uns in eine Beziehung eingeladen, die lebendig und liebend sein soll. Und diese Beziehung ist von beiden getragen und gestaltet. Trauen wir uns, unsere Liebesansprüche Gott schlicht und offen darzulegen und lassen wir uns überraschen, was er daraus macht. Ein frohes neues Jahr!
Dr. Alicja Kostka