Gedanken Gertrauds zum Christkönigfest 

Lichtblicke im Alltag – so nannte Gertraud die Feste im Jahresskreis während ihres Dienstes als Rotekreuzschwester in Lazaretten des Ersten Weltkrieges. Mit wachem Herzen verfolgte sie den Verlauf des Kirchenjahres, bereitete sich auf bevorstehende Feste vor und gestaltete sie mit. Ja, sie nahm ihr Umfeld auf den Weg solch engagierten Glaubens mit und trug so zur Verlebendigung der Gottesbeziehung und der kirchlichen Praxis in den Gemeinden bei, wo immer sie auch war.

Noch intensiver war ihre aktive Teilnahme an Festen im Jahreskreis, als sie Mitglied des Apostolischen Bundes in Schönstatt wurde. Ein Brief, den sie als Verantwortliche an die Mitglieder ihrer Gruppe zum Christkönigfest schrieb, gibt Einblick in ihre Ergriffenheit vom Inhalt dieses Festes und die – so typisch für Gertraud – Anwendung im praktischen Leben. 

Wie steht es um mein Herz?

Nach der inhaltlichen Erklärung des Christkönigfestes stellt sie die Frage hinsichtlich des eigenen Herzens als den Raum, der als erster für Christus frei und verfügbar sein sollte. Sie tut es mit großer Behutsamkeit, aber gleichzeitig mit einem „heiligen Ernst“, der davon zeugt, dass sie selber auf dem Weg ist und sich um den größeren Freiraum für Christus bemüht. 

„Wir wissen es schon immer, dass der Heiland unseres Herzens König ist, wir haben es ihm ja schon so oft gesagt.Aber lasst uns mal ganz stille sein und hineinschauen in dies Königreich, das wir dem Heiland antrugen! Ist er wirklich da innen der ganz alleinige Herrscher? Oder sind nicht Nebenbuhler da, die ihm täglich und stündlich sein Reich beschlagnahmen, für sich beanspruchen? Sind da nicht die Neigungen und Leidenschaften des lieben Ich, die sich breitmachen und den stillen König mit der Dornenkrone ins Eck drücken, weil sein Gesetz Opfer fordert, die Herrschaft der Natur aber Bequemlichkeit, Besitz und Ehre gewährt? Ist unsere Königsbegeisterung echt? … Gehören wir bloß zu den „Muss“-Untertanen oder zu seiner Garde, die mit ihm durch dick und dünn geht, auch dann, wenn es heißt: Freiwillige vor!?“

Ein Weg zum Königreich des eigenen und fremden Herzens

Als Gottsucherin im Alltag und bewusster Christin ist ihr bewusst, dass die Hingabe des Herzen an Gott ein Prozess ist und Zeit verlangt, mit allen Höhen und Tiefen. Mithilfe erzieherischer Mittel des Apostolischen Bundes (u.a. geistliche Tagesordnung und ein besonderer Vorsatz, geistliche Lesung) skizziert sie diesen Weg und unterstreicht, dass die Wahrhaftigkeit des Strebens sich im Alltag in der täglichen Treue in den kleinen Dingen zeigt.

„Das Königreich des eigenen Herzens restlos dem Heiland zu erobern ist unsere erste Kampfesarbeit. Sie leisten wir nicht im Sturm eines Tages oder einer Woche, nein Monde und Jahre vergehen darüber, und Sieg und Niederlage werden wechseln, bis wir unser Leben in diesem Kampf geopfert, unser Herzblut für unsern König vergossen haben. Und die Annalen dieses Krieges sind die kleinen Blättchen unserer Tagesordnung und des Partikular-Examens, in denen Tag für Tag geschrieben steht, ob wir treu und mutig den Kampf gewagt, ob wir uns Wunden schlugen und wie Christi Königtum Schritt für Schritt an Raum und Boden gewonnen.“

„Sein werbender Blick dringt in das Herz“

Die Anregungen, die sie an die Mitglieder ihrer Gruppe weitergibt, enthalten etwas, so scheint es, von ihrem eigenen inneren Leben. Es ist keine Theorie, die sie da tradiert. Ihre Worte sprechen von einer tiefen geistlichen Erfahrung, aus einem Bemühen, der Gnade des Glaubens Antwort zu geben. 

„Was wird er zu jeder von uns sagen, wenn sein Blick prüfend und durchdringend auf uns ruht? Wird er uns als nicht verwendungsfähig bezeichnen, weil wir uns nicht entsprechend bemüht haben? Oder dringt sein heißer, werbender Blick tief ins Herz und bettelt: Ich brauche dich, tu dir Gewalt an, sieh, dein König wirbt um dich, er selbst, dein Gott, bittet dich, sei mannhaft, besiege dich selbst, damit du seist eine starke Festung, … ein Bollwerk des Guten, des Glaubens in meinem sichtbaren Reich der Kirche! Sieh, mein Kind, gerade dich brauche ich…“

„Er will unser bedürfen“ 

Und dabei staunt sie, dass Gott unser bedürfen möchte! Er, der Unendliche und Allmächtige möchte in Menschen würdige Partner seines Wirkens und der Verbreitung seines göttlichen Reiches auf Erden haben. Was für eine Wertschätzung! Gertraud bestärkt ihre Mitschwestern auf den Wegen ihres Apostolates – das ist ja der Sinn der Gruppe und des Briefes – und verweist auf die letzte Quelle dieser Stärkung: das göttliche Herz und möglichst häufiges Verweilen bei ihm im Gebet, in der Anbetung und dem Empfang der Eucharistie.

„Schwestern, ein König bittet! Ein König bedarf unser, er will unser bedürfen – er bräuchte es ja nicht. – Ich weiß, Ihr arbeitet in seinem Dienst, Ihr tragt seine Liebe hinaus zu den Armen und Kranken und lindert ihre Nöte. Schwer ist Euer Beruf, und Tröpflein sind Eure Worte, Eure Gaben in dem Meer des Elends. O erlahmet nicht, trotz all des Bitteren, was Euch erwartet. Holt Euch die Schätze Eures Königs ins Herz, und Ihr könnt daraus schöpfen, ohne arm zu werden. Trinkt seine Weisheit, seiner Tugend Beispiel in einem halben Stündlein Lesung trotz Arbeitsfülle und Müdigkeit, füllt Eure Herzen an mit Liebesgluten beim Mahl der Liebe an seinem Tag und noch oft am Alltag, bringt Euer Leid und Eure Sorgen und Mühen zum Tabernakel einen jeden Tag, und – nehmt die Mutter mit auf jeden Eurer Gänge.“

Dr. Alicja Kostka

 

(Die Zitate sind dem Gruppenbrief vom 30. Oktober 1925 entnommen.)