Den Schlüssel zum Herzen finden

Das Verweilen in der Nähe des göttlichen Herzens verwandelt unser Herz.

Am 7. Juni 2020 erinnerte Papst Franziskus, dass der Monat Juni in besonderer Weise dem Herzen Christi gewidmet ist. Er sprach davon, dass das menschliche und göttliche Herz Jesu die Quelle ist, aus der wir immer die Barmherzigkeit Gottes schöpfen können, seine Vergebung und seine Zärtlichkeit. Diese Liebe können wir in jeder Passage des Evangeliums betrachten: Sie steht „im Zentrum jeder Geste und jedes Wortes Jesu“. Sie ist auch in der Eucharistie gegenwärtig – daher die Einladung des Papstes zur Anbetung Jesu in diesem Sakrament. Das Verweilen in der Nähe des göttlichen Herzens verwandelt unser Herz. So beschließt Papst Franziskus seine Einladung mit den Worten:

„Dann wird auch unser Herz nach und nach geduldiger, großzügiger, barmherziger, wenn es das Herz Jesu nachahmt. Es gibt ein uraltes Gebet – ich habe es von meiner Großmutter gelernt -, das so sagte: “ Jesus, lass mein Herz so aussehen wie deins.“ Es ist ein schönes Gebet. „Es lässt mein Herz so aussehen wie deins.“

Mit einer Schürze voll Rosen – weil es ihr wichtig war

Gertraud von Bullion hatte eine besondere Vorliebe für das Herz-Jesu-Fest und die Verehrung des göttlichen Herzens. Für sie war überhaupt der Juni „mit seinen vielen Festen“ neben dem Mai ein Monat, den sie innerlich sehr intensiv gelebt hat. Das Herz-Jesu Fest, neben Fronleichnam, hat sie immer neu begeistert. Im Lazarett beging sie dieses Fest regelmäßig und sorgte dafür, dass es entsprechend gefeiert wurde, trotz Schwierigkeiten, die sich im kriegerischen Alltag immer neu auftürmten. Im Juni 1918 schreibt sie:

„Zu Fronleichnam und zum Herz-Jesu-Fest hatte ich jedes Mal die Kapelle ganz besonders schön geziert, vor allem freute ich mich, im Besitz vieler Kerzen zu sein, die den Schmuck wesentlich erhöhten. Am Vorabend des Herz-Jesu-Festes, mich hatte zu allem Überfluss die Grippe gepackt, konnte ich erst abends um ½ 10 Sommerzeit nach Blumen gehen, mit einer Schürze voll Rosen kam ich aus der Gärtnerei zurück. Die liebe Himmelsmutter, die wusste, wie elende ich den Abend war, führte mir einen der Theologen, einen ganz hervorragenden eifrigen Sodalen, in den Weg. Als er meine Blumen sah, frug er, ob er mir helfen dürfe; o wie dankbar nahm ich’s an. Trotzdem wir zu zweit waren, schafften wir bis 12 Uhr, alleine hätte ich’s wohl kaum mehr zuwege gebracht.“

Auf seine Liebe antworten

Als sie Mitglied im Apostolischen Bund war, regte sie ihre Mitschwestern zur Verehrung des Herzen Jesu an und begründete es auch umfassend. Im Vordergrund stand dabei der Apostolatsgedanke: Weil Jesus der Mittelpunkt aller Herzen ist, dürfen und sollen wir helfen, dass sowohl die Menschen, die durch die Taufe zu ihm gehören, wie auch die, „zu denen noch keine Botschaft vom einen, wahren Gott gedrungen ist“ sich bei ihm einfinden. Dabei ging sie von der Beziehungswilligkeit Gottes aus: er möchte auf die Menschen zugehen, auch wenn er es in seiner Allmacht nicht bräuchte. Aber – so überzeugt sie weiter:

„In seiner unendlichen Güte hat Gott dem Bedürfnis des Menschenherzens Rechnung getragen, das seine Beseligung darin findet, Liebe zu geben, andere zu beglücken; nicht zuletzt aber wollte Gott uns Gelegenheit geben, uns nach redlichem Kämpfen und Ringen den Preis des Sieges zu erwerben. Sind wir aber auch wirklich Streiter für unseres Königs Reich? Ringen wir wirklich um Seelen? Unser Gebet müsste eigentlich ein Kampf sein mit Gottes Gerechtigkeit. Bitte um Bitte, Opfer um Opfer müssten wir ihm, durch Christi unendliche Verdienste geheiligt, darbieten, damit Gottes Barmherzigkeit den Sieg davontrage und uns die Seelen schenke, die ihm noch ferne stehen. Streiter Christi sind wir, wir müssen also auch hinein in den unmittelbaren Kampf um die Seelen.“

Die wahre Freudenquelle zeigen

Im Blick auf die Gefährdungen, denen die Menschen ihrer Zeit ausgesetzt waren – hier nennt sie u.a. religionslose Schule, Bilder, welche die Würde des Menschen missachten – ruft sie vor allem im Blick auf die Jugend auf:

„Zeigen wir ihnen die wahre Freudenquelle, Gott, ‚der unsere Jugend erfreut‘, wie der Psalmist so wahr sagt. Wir müssen aber auch verteidigen helfen die kostbaren Seelen, die in den Diaspora-Gemeinden so einsam stehen, denen die Entbehrung von Gottesdienst und Sakramenten zur Gewohnheit wird und die dann zugrunde gehen. Fragen wir uns einmal: Habe ich meinen Dank für die Anregungen, für die Leichtigkeit religiösen Lebens in katholischer Gegend schon je betätigt?“

Eine Anregung auch an uns heute?

Apostolat des Seins: die innere Ausstrahlung

Eine angemessene Antwort auf die Liebe Gottes, die uns durch sein Herz zuteilwird, sieht sie in einer Haltung, die das II. Vatikanische Konzil später Apostolat des Seins genannt hat. Die damalige schönstättische Zeitung zitierend (MTA Nr. 4, Seite 51) legte sie den Mitgliedern des Apostolischen Bundes ans Herz:

„Ein Mensch von wahrer Religiosität betätigt sich schon apostolisch, sobald er mit Menschen zusammenkommt, denn sein ganzes Sich-Geben spiegelt sein Glück, seine Zufriedenheit wider…, seine ganze innere Gutheit wird einen unbewussten Einfluss auf die Umwelt ausüben …“ – Ich sage noch mehr, in Gegenwart solcher Menschen unterbleibt die Schlechtigkeit; und ist nicht jede verhütete Sünde ein Sieg des Guten, ein Baustein für Gottes Reich?“

Dabei misst sie der menschlichen, spürbaren Liebe eine wichtige Rolle zu und knüpft an den heiligen Franziskus an:

„Der heilige Franziskus von Assisi sagte einmal: Das Leben und die Heiligkeit der Diener Gottes sollte solchen Glanz ausstrahlen, dass das Licht ihres Beispiels und die beredte Sprache ihrer Lebensführung allen Gottlosen ein Vorwurf ist. Auf der anderen Seite muss unsere unerschöpfliche Liebe und stete Hilfsbereitschaft aber auch die Herzen erobern, die Menschen müssen fühlen, überzeugt sein, dass wir sie glücklich machen wollen. Haben wir erst den Schlüssel zum Herzen gefunden, dann kommen wir auch weiter und können dem heiligsten Herzen den Königsthron in jenen Seelen errichten.“

Dr. Alicja Kostka