Wenn die Zukunftspläne ganz verworren liegen

In der zurückliegenden weihnachtlichen Zeit wurden wir öfter mit Maria konfrontiert, deren Pläne durch Gottes Einladung regelrecht durchkreuzt wurden. In einer Meditation dieser Zeit hieß es:

„Maria, ein junges Mädchen in Nazareth. Ihre Zukunft scheint geplant. Sie ist verlobt mit Josef. Sie hat sich Gedanken gemacht, wie ihr Leben verlaufen wird. Aber ihr Herz ist offen für das, was Gott mit ihr vorhat.“

Aus einem Kuraufenthalt in Schömberg (1926) schreibt Gertraud, als die Gesundheitsdiagnose der Ärzte ihr nicht erlauben, eine greifbare Perspektive für die Zukunft aufzustellen:

„Meine Zukunftspläne liegen ganz verworren. Der Arzt vor vier Jahren sagte, ich würde hier dann ganz gesund werden – der jetzige bestreitet es. So stehe ich im Kreuzfeuer. Mich wieder beruflich zu betätigen, lockt mich sehr, aber ich bezweifle meine Leistungsfähigkeit auf die Dauer.“

Das Vertrauen üben, sorglos wie ein Kind

In solchen Zeiten ist es nicht leicht herauszufinden, was die eigentliche Absicht Gottes ist… In der weihnachtlichen Meditation heißt es weiter:

„Die Sicherheit, dass das Leben so wird, wie wir es uns denken und es uns wünschen, haben wir nicht. Jeder von uns hat das schon erfahren: Es geschehen Dinge, die wir nicht verstehen. Der Arbeitsplatz ist gefährdet, eine Krankheit belastet uns, Beziehungen gehen auseinander.“

Gertrauds Herzenswunsch war es, sich in der Musik, vor allem im Gesang weiterzubilden, aber auch dieser Wunsch „scheiterte bis jetzt jedes Mal, wenn ich vor einer Erfüllung stand“, so schreibt sie in einem Brief. Die Tuberkulose, mit der sie sich als Rotkreuzschwester im Krieg infiziert hatte, setzte wieder ein. Dann aber waren auch die Zeit- und Familienverhältnisse äußere Hindernisse. Gertraud pflegte sowohl ihren Bruder Gottfried, der sich wie sie die Lungenkrankheit im Krieg geholt hatte, und dann den Vater. Nach dem Tod ihres Vaters (7.1.1926) schreibt sie:

„Ich habe noch keine Pläne, denn sooft ich solche fasste, hieß es sie unter Schmerzen aufzugeben. Kind soll und will ich werden, also lasse ich den Vater im Himmel sorgen! Das heißt nun nicht, dass ich mir keine Gedanken mache um die Zukunft, aber ich strebe nach kindlicher, vertrauender Sorglosigkeit…“

Gott kennt den Weg

Ganz mutig, keine Pläne zu fassen. Kann man tatsächlich so bedingungslos Gott vertrauen? Die erwähnte Meditation zeigt mir die Richtung:

„Gott führt. Er kennt den Weg. Wir wollen den Weg im Voraus wissen, aber es gibt immer wieder unvorhersehbare Abzweigungen. Gott schickt uns Zeichen auf den Weg, manchmal kaum wahrnehmbar, manchmal überwältigend. Ein Ereignis, das meinen Alltag durchkreuzt. Wir fragen uns dann: Wie geht es weiter? Was soll ich tun?“

Pater Kentenich, der Gründer Schönstatts, nannte gelegentlich auch das Leid „einen Gruß von Gott“. Eine herausfordernde Sicht. Nicht weniger sah er aber auch in den „Seelenstimmen“, den inneren Eingebungen die Richtung, in die Gott einen Menschen lenken, führen möchte. In ihrer Unsicherheit behielt Gertraud von Bullion eine Sehnsucht, die für sie leitend blieb, eine Sehnsucht, sich ganz dem Apostolat zu widmen in einer Zeit des kulturellen und gesellschaftlichen Umbruchs der Nachkriegsjahre:

„Und die Zukunft? Was ich mir früher für diesen Zeitpunkt erträumte, ist vorbei durch meine schlechte Gesundheit, und nun heißt es das Planen sein lassen, bis ich wieder ganz auf dem Damm bin. Liebe J., wenn Du mir einen Gefallen, etwas Liebes tun willst, so bete hin und wieder ein Ave, damit ich erkennen möge, was Gott jetzt von mir erwartet. – – Eigentlich bin ich jetzt frei, drum soll Er den unumstrittenen Platz in meinem künftigen Leben einnehmen. Nur muss Er dann noch für manches Sorge tragen, was hindernd im Wege steht! Mein Sinn stünde nach berufsmäßigem Apostolat. Ob ich dazu berufen bin und wo? Hilf mir beten um Licht und Kraft, Erkanntes durchzuführen!“ (18.3.1926).

Geheimnis der Erfüllung mitten in schwerer Zumutung

Tatsächlich konnte sich Gertraud in den nachfolgenden Jahren dem Apostolat „mit Leib und Seele“ widmen. Es ist ein Geheimnis, dass sie dies mitten in unheilbarer, schwerer Krankheit tun durfte, einer Krankheit, die mit der Zeit immer mehr an ihr zehrte. Unter solch erschwerten Bedingungen war sie maßgeblich beteiligt am Aufbau der Frauenbewegung Schönstatts, vornehmlich des Apostolischen Bundes für Frauen. In unzähligen Treffen, in der Koordinierung der regionalen Gruppen, in Hunderten von Briefen animierte sie und beseelte diesen geschichtlichen Anfang mit aller Kraft, die ihr zur Verfügung stand. Dieser intensive Einsatz war immer wieder unterbrochen durch Kuraufenthalte, Zeiten der Isolierung und seelischen Mattheit. Sie nahm das Schicksal aus der Hand Gottes, so wie es ihr entgegenkam und machte Gott ein Gegengeschenk daraus. Indem sie den Beginn dieser Bewegung gestaltete, prägte sie ihm ihr eigenes Gesicht ein, ein Gesicht der Liebe und hochherziger Gabe – die Gabe ihres Selbst. Es gibt keine größere Liebe, als wenn jemand sein Leben schenkt für seine Freunde (vgl. Joh 15, 13).

Dr. Alicja Kostka

Das Beitragsbild ist von: G. Frey-Bantle, siehe: https://www.seelsorgeeinheit-echaztal.de/durchkreuzt-malabende-in-der-fastenzeit/