Sterben und Heimgang
Nikolaus Lauer beschreibt in seiner Biografie Gertraud von Bullion, Serviam – Antwort der Liebe Gertrauds letzte Wochen und Tage im Krankenhaus in Isny (Allgäu) und ihr Sterben. Hier einige Auszüge:
„Mir pressiert’s noch nicht“
„Obwohl die Oberin des Hauses ihr öfter Gebete um einen guten Tod versprach und vor Pfingsten einmal bemerkte: Aber Gräfin Gertraud, der Heilige Geist wird Sie mitnehmen, versicherte sie noch am letzten Abend ihres Lebens: Ich weiß gar nicht, was die Schwester immer mit dem Sterben hat, mir pressiert’s noch gar nicht!“
Leiden
„Die Ärzte erwarten das Erlöschen des Lebens bis Anfang Mai. Gertraud isst fast nichts mehr, und während ihres ganzen Krankenlagers in Isny ist ihr das Essen „die schwerste Überwindung“. Das Fieber bleibt fortwährend hoch, nur hie und da durch einen kurzen, heftigen Abstieg mit Schüttelfrost unterbrochen, der keine Linderung bringen kann, sondern nur das gefährliche Stadium der Krankheit kennzeichnet. Die linke Lunge ist ein großer Eiterherd; Eiter und Tuberkulosebazillen stoßen ins Blut und vergiften es. Die Ärzte wundern sich schon im April, dass Gertraud überhaupt noch lebt, aber sie hält durch bis Pfingsten und trinkt den Leidenskelch bis zur Neige.“
Abschiedstage
„Die Pfingsttage werden wahre Martertage, und das Ende scheint unmittelbar bevorzustehen. Die Verwandten sind zum letzten Abschied herbeigerufen worden, und alle erscheinen; abwechselnd halten ihre Schwester Hedwig und Fräulein Betz die Wachen. Doch will die drohende Lebensgefahr scheinbar noch einmal vorüberziehen, und ihre Geschwister reisen wieder ab; Fräulein Betz bleibt zurück.“
Sorge bis zuletzt – SERVIAM
„Am Pfingstdienstagabend kurz vor sieben Uhr ersucht der Arzt Fräulein Betz, die drei Tage und Nächte nicht zur Ruhe gekommen ist, wenigstens auf ein Viertelstündchen sich im Freien zu ergehen und Kräfte für die kommende Nachtwache zu sammeln. Kaum aber hat Fräulein Betz das Haus zu einem kurzen Spaziergang verlassen, als Gertraud ihr eine Mitpatientin nachsendet, die Fräulein Betz begleiten soll, damit sie sich nicht fürchte. Sie sorgt eben bis zuletzt für andere.“
Blutströpfchen
„Auf einer an das Krankenhaus anstoßenden Wiese findet Fräulein Betz sogenannte Blutströpflein, Blumen, die „Gertraud immer so gern mochte“. Schnell pflückt sie einen Strauß und bringt ihn Gertraud. Er ist ihre letzte Freude. Blutströpflein, ach, Blutströpflein, sagt sie immer wieder, behält den kleinen Strauß in der Hand und streichelt die Blüten, die ihr in diesen Stunden wohl ein Symbol sind.“
Atemnot und Herzschwäche
„Dann nimmt sie noch etwas Mehlbrei, nachdem sie während der Pfingsttage nichts als ein wenig Apfelsinensaft genossen hat. Bald danach stellt sich eine furchtbare Atemnot und Herzschwäche ein; sie stöhnt so laut, dass die Patienten aus den anderen Stockwerken sagen lassen, sie könnten es nicht mehr mit anhören. Daraufhin willigt Gertraud ein, dass der Arzt ihr eine Spritze gibt, die sie zuvor trotz ihrer Schmerzen immer zurückgewiesen hatte.“
Todeskampf und Sühneleiden
„Von halb neun Uhr abends ab setzt der Todeskampf ein, der so furchtbar und hart ist, dass es scheint, als leide Gertraud nicht mehr natürlicherweise, sondern als müsse sie ein außernatürliches Sühneleiden ertragen. Gegen drei Uhr in der Frühe schlummert sie dann ergeben und still hinüber. Es ist Pfingstmittwoch, der 11. Juni 1930.“
Schwesternhände
„Ihre treue Pflegerin, Fräulein Betz, bleibt bei ihr bis zur Morgenfrühe; dann bringt man den armen Körper in die Leichenkammer, wo Fräulein Betz ihrer Traudl den letzten Liebesdienst erweist und ihr das geliebte hellblaue Kleid anzieht, das Gertraud immer ihr Muttergotteskleid genannt hatte. Leiden und Tod haben Gertrauds Züge entstellt, aber ihre Hände sind auch im Tode schön geblieben, die Schwesternhände, die so gern Gutes getan hatten.“
Ihr Leben – „eine schwingende Saite“
„Die Beerdigung fand am Freitag, dem 13. Juni, in der Familiengruft zu Kempten statt. … Der Prediger zählte die wichtigsten Daten aus dem Leben Gertrauds auf und schloss: So liegt ihr Leben vor uns, rein und schön, voll tiefer Frömmigkeit. Wiewohl sie glaubte, weiter wirken und arbeiten zu müssen, so konnte sie ihr Leben doch reichlich genützt in die Hände des Schöpfers zurückgeben, dem sie ihr Leben geweiht. Eine schwingende Saite war ihr Leben, auf dem der Herrgott schöne Weisen der Liebe gespielt. Möge diese Saite weiterklingen im ewigen Frieden und ewigen Glück!“